Während jedes Jahr etliche Abenteurer den Mount Everest besteigen, waren bisher nur 22 Leute am untersten Punkt im Marianengraben (Stand: September 2021). Nur mal so nebenbei: Von 1960 bis Anfang 2019 waren es nur drei Leute. In lediglich knapp über zwei Jahren sind also 19 weitere Personen zum tiefsten Punkt im Marianengraben vorgedrungen. Hier kann man auf dem aktuellsten Stand bleiben.
Der Grund des Marianengrabens ist laut dem heutigen Forschungsstand die tiefste Stelle im Ozean und ist die Heimat von einigen der extraordinärsten Geschöpfen sowie den für uns lebensfeindlichsten Umweltbedingungen der Welt. Wie man sich bereits denken kann, ist nur sehr wenig über diesen mysteriösen Ort bekannt. Der Marianengraben liegt im Westen des Pazifischen Ozeans, zwischen den Philippinen und den Marianeninseln.
Daten über den Marianengraben
Der Marianengraben ist quasi der „Grand Canyon“ des Ozeans. Er erschreckt sich über etwa 2500 km mit einer durchschnittlichen Breite von ca. 70 km. Die Lebensbedingungen sind wie bereits erwähnt sehr harsch. Unter anderem aufgrund der eisigen Kälte sowie der permanenten Finsternis in den Tiefen des Grabens. Ab und zu werden die Tiefen jedoch ein bisschen beleuchtet. Jedoch stammt des Licht nicht etwa von der Sonne, sondern von den grotesken Lebensformen, die mit ihrem eigenen Körper Licht erzeugen, welches beispielsweise für die Jagd dient.
Das Sonnenlicht hat die unteren Schichten des Marianengrabens seit seiner Entstehung niemals erreicht. Doch der Hauptgrund für die lebensfeindlichen Umständen ist der unglaubliche hohe Wasserdruck. Am tiefsten Punkt im Marianengraben, dem sogenannten „Challenger Deep“ bzw. „Challenger Tief“, herrscht ein Druck, der etwa 1000x so stark ist wie an der Wasseroberfläche. Jedes Lebewesen, das sich nicht im Verlaufe von Millionen von Jahren an diesen lebensfeindlichen Umständen angepasst hat, würde unter diesen Bedingungen kollabieren.
Wir wissen mehr über die Oberfläche des Mondes und des Mars als über den tiefsten Punkt im Marianengraben. Selbst die modernsten Forschungsgeräte können einem solchen Druck nur sehr schlecht standhalten, denn die meisten der Instrumente für Untersuchungen im Meer können unter ca. sechs Kilometern mit einigen Ausnahmen nicht mehr funktionieren.
Die Größe unserer Ozeane ist einfach nur faszinierend. Etwa 80% des Volumens der Biosphäre unserer Erde besteht aus Gewässern, die sich 900 Meter unter der Meeresoberfläche befinden. Die Biosphäre beschreibt die Gesamtheit aller Räume in einem Himmelskörper, in denen Leben vorkommt. Das heißt also, dass wir nicht nur einen kleinen Bruchteil unserer Meere, sondern auch unserer Fauna erforscht haben.
Die Distanz zwischen der Wasseroberfläche und dem tiefsten Gebiet im Marianengraben, dem Challenger Tief, ist fast elf Kilometer. Das heißt also, dass wenn man den Mount Everest hier versenken würde, würde sich die Spitze des Berges immer noch etwa zwei Kilometer unter der Wasseroberfläche befinden.
Entstehung des Marianengrabens
Viele Tiefseegräben im Ozean machen die sogenannte „Hadalzone“ aus. Die Namensgebung stammt vom griechischen Gott der Unterwelt „Hades“. Tiefseegräben entstehen durch das Kollidieren und die Subduktion von zwei tektonischen Platten. Der Marianengraben ist durch eine Subduktion der pazifischen Platte mit der Marianenplatte entstanden.
Die Subduktion von zwei tektonischen Platten ist auch für eine Vielzahl der seismischen Aktivitäten verantwortlich. Unter anderem ist so das der gigantische Tsunami im Jahre 2004 im Indischen Ozean sowie das Tohoku Erdbeben in Japan im Jahre 2011 entstanden.
Im Marianengraben leben einige der faszinierendsten Tiere der Welt. Bisher wurden jedoch nur sehr wenige Lebensformen hier entdeckt. Die meisten Arten sind uns noch unbekannt. Wie man sich leicht vorstellen kann, wird diese Gegend von Tieren beheimatet, die es sonst nirgends in der Nähe der Wasseroberfläche gibt. Um hier zu überleben, mussten sich die Lebensformen und auf eine ganz einzigartige Art und Weise anpassen, und manche der Geschöpfe sehen aus, als würden sie der Feder eines Science-Fiction Autors entstammen.
Bedeutung vom Meeresschnee
Mit solch zumindest für uns lebensfeindlichen Umständen dürfte sich so manch einer fragen, wie es hier die Tiere schaffen zu überleben. Ein essentieller Faktor für das Überleben in solchen Tiefen ist der sogenannte „Meeresschnee“. Dieser Schnee ist im Grunde nichts anderes als organisches Material, welches von toten Tieren und Pflanzen in der Nähe der Wasseroberfläche stammt und welches langsam in die Tiefen der Ozeane runterfällt.
Manchmal kann es Tage oder sogar Wochen dauern, bis das organische Material von der Meeresoberfläche den tiefsten Punkt im Marianengraben erreicht hat.
Tiere im Marianengraben
Manche Bewohner der Tiefsee konsumieren den Meeresschnee während er noch am Fallen ist und manche nehmen ihn erst am Meeresgrund zu sich. Nichtsdestotrotz ist der Meeresschnee eine verlässliche Nahrungsquelle für eine Vielzahl von Tiefseebewohnern. Größere Tiere am Meeresgrund können sich jedoch allein vom Meeresschnee nicht ernähren und sind noch zusätzlich auf das Verspeisen von kleineren Beutetieren als komplementäre Nahrungsquelle angewiesen.
Beutetiere sind allerdings nur in einem geringen Ausmaß vorhanden. Das Leben in der Wildnis war schon immer harsch, unabhängig vom Lebensraum. Doch in der Tiefsee gilt das Gesetz des am besten angepassten besonders stark.
Der unheimlich hohe Meeresdruck im Marianengraben hat im Verlaufe der Evolution Lebensformen hervorgebracht, die nun besonders gut auf diese Umweltbedingungen klarkommen. Ein Beispiel wäre der Tiefsee-Anglerfisch. Dieser angsteinflößende Fisch aus der Tiefsee verfügt über eine laternenartige Erweiterung am Kopf, mit dem er kleinere Fische anziehen kann. Gleich darunter befindet sich jedoch ein monströses Gebiss, dass seine Beute wohl kaum mehr entkommen lassen wird, sollte es sich einmal darin verfangen.
Ein weiterer Bewohner des Marianengrabens ist der Koboldhai. Dieser Hai wird unter anderem auch „das lebende Fossil“ genannt. Grund dafür ist, dass diese Haiart einer Unterspezies angehört, die vermutlich schon seit über 100 Millionen Jahren die Tiefen der Ozeane durchstreift. Die Schnauze des Koboldhais ist auf eine gar bizarre Art und Weise aufgebaut.
Des Weiteren verfügt er auch über eine Erweiterung des Vorderkopfes, die es ihm erlaubt, seine Beute selbst in der puren Dunkelheit aufzuspüren. Als Hauptbeutetiere kommen kleinere Fische und Kopffüßer im Frage. Doch im Grunde wird er wohl fast alles fressen, was ihm in den Weg kommt, denn in solch einem Lebensraum befindet man sich nicht gerade in der Position, um mit seiner Beute wählerisch zu sein.
Ein weiteres faszinierendes Lebewesen, welches den Marianengraben bewohnt, ist der Dumbo-Oktopus. Dieser Kopffüßer sieht wie von einer anderen Welt aus. Fortbewegen tut er sich mit seinen beiden Flossen am Kopf, die oftmals irrtümlicherweise für seine Ohren gehalten werden. Im Gegensatz zu den meisten Kopffüßern braucht der Dumbo-Oktopus keinen Tintenbeutel, da er in diesen Tiefen nur auf sehr wenige Jäger trifft und da Tinte zur Verunreinigung des Wassers als Fluchtvariante in einer bereits solchen Finsternis kaum was bringen würde.
Der Gespensterfisch ist ein weiterer Bewohner des Marianengrabens. Er macht seinem Namen wirklich alle Ehre. Sein Kopf ist durchsichtig, was ihm sehr gute Sichtwinkel ermöglicht. Viele verwechseln seine Augen mit seinen Nasenlöcher. Die Augen befinden sich im Kopf drinnen und dort, wo man die Augen normalerweise vermuteten würde, sind in Wirklichkeit seine Nasenlöcher.
Tauchgänge in den Marianengraben
Der Marianengraben wird schon seit über 100 Jahren erforscht. Die erste Untersuchung des Grabens fand im Jahre 1875 statt und wurde mit dem britischen Marinekriegsschiff HMS Challenger durchgeführt. Bei dieser Untersuchung wurde lediglich der erste Umriss des Gebiets dokumentiert. Eine Art Seil wurde hier in die Tiefe befördert. Damit konnte man eine minimale Tiefe von acht km nachweisen.
Im Jahre 1960 tauchten dann der Schweizer Jacques Piccard und der Amerikaner Don Walsh das erste Mal zum Meeresgrund des Marianengrabens. Sie benötigten satte fünf Stunden, um mit dem U-Boot „Trieste“ von der Wasseroberfläche fast elf km weit in den Abgrund zu tauchen.
Die nächste Expedition zum Abgrund des Marianengrabens fand erst 52 Jahre später statt. Der erfolgreiche kanadische Filmeregisseur James Cameron tauchte im Jahre 2012 alleine ins Challenger Tief des Marianengrabens. Dort verweilte er für über zwei Stunden und sammelte beträchtlich viel an Informationen und Aufnahmen. Leider konnte er keinen Megalodon finden und auch kein anderes Tiefsee-Monster.
Im April und Mai 2019 tauchte der amerikanische Forscher Victor Vescovo innerhalb von einer Woche gleich zweimal bis zum Abgrund des Marianengrabens. Nur einige Wochen später wurden zwei weitere Tauchgänge ins Challenger Tief für zwei Touristen angeboten, die von einem erfahrenen Kapitän geleitet wurden. Obwohl die genaue Summe nicht ausdrücklich erwähnt wurde, dürfte dieser Tauchgang die beiden Touristen wohl einen hohen 6-stelligen Betrag in USD gekostet haben. Schließlich besuchten innerhalb von kürzester Zeit viele weitere Forscher den tiefsten Punkt im Marianengraben.
Mittlerweile waren also schon insgesamt 22 Menschen am Grund des Marianengrabens (Stand: September 2021). Vor nicht mal einem Jahr waren es nur drei. Dies lässt die These offen, dass eventuell in naher Zukunft eine Vielzahl von weiteren Expeditionen in den Abgrund des Marianengraben angeboten werden könnten.
Mikroben als Wunderheilmittel?
Vielleicht ist einer der größten Anreize für die Untersuchung des Marianengrabens, nebst der Befriedigung der Neugier und Begierde nach Abenteuern, die Untersuchung einer erst kürzlich neu entdeckten Art von Mikroben, die in den Gewässern rund um den Marianengraben zu finden ist. Diese Mikroben könnten eventuell eine wichtige Rolle in der Bekämpfung von Krebs spielen. Wie genau sich die Forschung diesbezüglich allerdings entwickeln wird, ist noch unklar.
Es gibt noch so vieles über dieses Ökosystem zu entdecken. Zwar sind wir in Sachen Erkundung der Tiefsee noch stark eingeschränkt, doch dies könnte sich mit dem technologischen Fortschritt schon in nicht allzu fernen Zukunft ändern.