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Tiefseegigantismus – Warum werden Tiefseetiere so groß?

Riesenkalmar

Obwohl Tiefseekreaturen wie der Kraken oder der Leviathan mit hoher Wahrscheinlichkeit nur Mythen sind, gibt es dennoch viele faszinierende und vor allem riesige Tiere, die die Tiefsee Heimat nennen.

Der Begriff „Tiefseegigantismus“ bezeichnet eine Hypothese bzw. Theorie, laut der Meerestiere normalweise größer werden, je tiefer sie unter dem Meeresspiegel leben. Schenkt man dieser Theorie glauben, werden Tiere der Tiefsee größer als ihre nahen Verwandten, welche in der Nähe der Wasseroberfläche verweilen. Eine weitere interessante Beobachtung ist, dass aus der Tiefsee stammende Tiere länger leben als ihre Verwandten an der Wasseroberfläche.

Tiefsee und ihre Zugänglichkeit

Knapp über 70% der Erde sind von Wasser bedeckt, wobei 96% davon die Ozeane sind. Das Problem bei der Erkundung ist nicht nur die schier unglaubliche Größe des Gebiets, sondern auch die Zugänglichkeit. Aufgrund des sehr hohen Wasserdrucks ist es unglaublich schwer, in die Tiefen der Ozeane vorzudringen.

Es ist schwieriger U-Boote in die tiefsten Stellen des Ozeans zu schicken als Raketen ins All. Deshalb ist es kein Wunder, dass wir mehr über die Oberfläche des Mondes wissen als über den Grund der Ozeane. Lange Zeit dachte man, dass Leben in solchen Tiefen unmöglich sei. Als man schließlich zum ersten Mal Leben in solchen Tiefen nachweisen konnte, war die Welt sprachlos.

Der unglaublich hohe Wasserdruck hat ganz spezielle Lebensformen hervorgebracht, welche sich perfekt an diese lebensfeindliche Umgebung angepasst haben. Viele von ihnen haben beispielsweise aufgrund der Dunkelheit in diesen Tiefen Biolumineszenz entwickelt, dank der sie mit ihrem eigenen Körper Licht erzeugen können.

Doch kehren wir zum eigentlichen Thema zurück, und zwar zu Tiefseegigantismus. In diesem Beitrag werden wir zuerst einige Beispiele von Tiefseegigantismus aufzeigen und schließlich Erklärungsansätze erläutern, die diese Hypothese stützen.

Koloss- und Riesenkalmar

Fangen wir daher mit den Beispielen von Tiefseegigantismus an. Zum einen wäre da der Koloss-Kalmar. Normalerweise werden Tintenfische, welche sich primär an der Wasseroberfläche aufhalten, nur etwa 60 cm groß.

Koloss-Kalmar

Der Koloss-Kalmar hingegen kann sehr viel größer werden. Ihr genaue Maximallänge ist aufgrund seltener Sichtungen nicht bekannt und unterscheidet sich je nach Quelle. Sie halten sich primär in Tiefen von über einem Kilometer in Gebieten rund um der Antarktis auf. Meistens wird ihre maximale Größe auf etwa 13 Meter geschätzt. Ihre nahen Verwandten, nämlich Riesenkalmare, welche auch Tiefseebewohner sind, werden ebenfalls riesig.

Auch die Maximalgröße von Riesenkalmaren kann man nicht genau bestätigen. Das größte gemessene Exemplar, welches 1887 an der Küste Neuseelands angespült worden ist, soll angeblich 18 Meter groß gewesen sein. Dabei muss man aber beachten, dass die beiden langen Fangarme einen beträchtlichen Teil der Größe von Riesenkalmaren ausmachen. Der eigentliche Körper ist um einiges kleiner. Man findet Riesenkalmare im Grunde in Tiefseegräben weltweit.

Riesenkalmar größter Fund

Es gibt keinen im Flachwasser lebenden Kalmar, welcher nur ansatzweise so groß wird wie der Riesen- oder Koloss-Kalmar. Das sind die ersten zwei Beispiele für Tiefseegigantismus.

Japanische Riesenkrabbe

Ein weiteres ist die Japanische Riesenkrabbe. Die meisten Krabben werden nur wenige Zentimeter groß. Die Japanische Riesenkrabbe hingegen kann ausgeweitet eine Bannspannweite von etwa vier Metern erreichen. Das ist für eine Krabbe riesig. Diese Tiere halten sich primär in Tiefen von 300 bis 600 Metern auf.

Japanische Riesenkrabbe

Laut Schätzungen sollen einzelne Individuen dieser Art sogar über 100 Jahre alt werden können, was für die Langlebigkeit der Tiefseetiere spricht. Man findet die Japanische Riesenkrabbe ausschließlich im Pazifik, vor allem in der Gegend rund um Japan.

Tiefsee-Röhrenwurm

Der Tiefsee-Röhrenwurm, auch Tiefsee-Bartwurm genannt, ist ein weiteres riesiges Tier aus der Tiefsee. Man nennt diese Art wissenschaftlich „Riftia pachyptila“. Sie leben an hydrothermalen Schloten in der Tiefsee, wo das Wasser sehr heiß und reich an Mineralien ist. Oftmals findet man sie in Tiefen von einem bis zwei Kilometer unter dem Meeresspiegel.

Tiefsee-Röhrenwurm

Der Tiefsee-Röhrenwurm kann bis zu drei Meter lang werden. Die Art hat weder Augen noch einen Magen. Stattdessen bezieht der Tiefsee-Röhrenwurm seine Energie vollständig durch eine Bakterienart, mit der er eine Symbiose eingeht.

Grönlandhai

Der Grönlandhai, auch Eishai genannt, ist ebenfalls eine riesige Art aus der Tiefsee. Diese Tiere werden bis zu sieben Meter lang und kommen nur selten an die Wasseroberfläche. Sie können über eine Tonne auf die Waage bringen. Laut Schätzungen sollen diese Tiere über 400 Jahre alt werden können. Ihr natürlicher Lebensraum ist die stockdunkle Tiefsee vom nördlichen Atlantik in einer Tiefe von rund zwei Kilometern.

Grönlandhai

Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Tiere, deren Tiefseevarianten viel größer werden als die an der Meeresoberfläche, darunter beispielsweise noch die Riesenassel und viele mehr.

Erklärungsansätze für Tiefseegigantismus

Wir haben uns nun einige Beispiele von Tiefseegigantismus genauer angeschaut. Doch jetzt stellt sich die Frage, warum denn Tiere in der Tiefsee angeblich größer werden können. Es gibt verschiedene Theorien und Ansätze, die genau dies zu erklären versuchen.

Man muss aber wie bereits erwähnt im Hinterkopf behalten, dass die Hypothese bezüglich Tiefseegigantismus bisher wissenschaftlich immer noch nicht bestätigt wurde. Teilweise sind die Beobachtungen widersprüchlich und werden sogar stark kritisiert.

Die beiden populärsten Lösungsansätze versuchen Tiefseegigantismus zum einen anhand des Stoffwechsels und zum anderen anhand der Umgebungstemperatur zu erklären. Fangen wir mit der Stoffwechsel-Theorie an.

Stoffwechsel als Ursache

Es ist ein Fakt, dass die Dichte an Tieren in der Tiefsee beträchtlich kleiner ist als in der Nähe der Wasseroberfläche. In anderen Worten befinden sich pro Kubikmeter vergleichsweise weniger Tiere in der Tiefsee als in der Nähe der Wasseroberfläche. Das macht auch Sinn, denn solche Tiefen sind sehr lebensfeindlich, weswegen nur speziell angepasste Lebensformen dort überleben können.

Daher ist im Umkehrschluss auch die Anzahl der Beutetiere knapper. Zwar ernähren sich viele der Tiefseearten unter anderem auch von organischem Material sowie von Meeresschnee, welche beide von den oberen Schichten in die Tiefe abfallen, trotzdem besteht Nahrungsknappheit. Um daher nicht an Nahrungsknappheit zu sterben, mussten die Tiere einen effizienteren Stoffwechsel entwickeln.

Laut renommierten Biologen wie Max Kleiber wird der Stoffwechsel bei Arten effizienter, je größer das Tier wird. Größere Arten in einer Tierfamilie haben laut dieser Theorie daher einen effizienteren Stoffwechsel und können so einen längeren Zeitraum ohne Nahrung überleben. Das liegt unter anderem auch an den erhöhten Fettreserven. Man kann die verschiedenen Schichten der Meere auch als ein ökologisches Inselsystem betrachten. Viele der Arten können nicht beliebig zwischen den einzelnen Tiefen der Ozeane wechseln.

Tongagraben

Somit sind die einzelnen Schichten der Tiefsee wie in sich geschlossene Ökosysteme, die man nicht oder nur schwer verlassen kann. Befindet man sich quasi in einer bestimmten Schicht der Tiefsee, muss man sich an die dort herrschenden Umstände anpassen.

Die meisten Arten in der Tiefsee können nicht ohne weiteres an die Wasseroberfläche hochtauchen, um der Nahrungsknappheit zu entgehen. Die einzige Lösung ist sich anzupassen und ein größerer Körper soll die Effizienz des Stoffwechsels erhöhen, was wiederum dem Verhungern entgegenwirkt. So soll die Evolution einen größeren Körper in der Tiefsee gefördert haben.

Wassertemperatur als Ursache

Laut dem zweiten populären Lösungsansatz soll die niedrige Wassertemperatur jedoch auch eine wichtige Rolle spielen. Dazu kam der Biologe Karl Bergmann zum Schluss, der sich intensiv mit Tiefseegigantismus befasst hat. Im Grunde gilt, dass je tiefer man taucht, desto niedriger die Wassertemperatur wird.

Anhand von Beobachtungen konnte man schließlich einen Trend feststellen. Niedrigere Wassertemperaturen sollen unter anderem die Zellgröße vergrößern und den Stoffwechseln verlangsamen. Dies soll auch dazu führen, dass die Tiere langlebiger und größer werden können.

Eine solche Beschreibung trifft perfekt auf den Grönlandhai zu. Wie schon erwähnt beheimatet die Art primär die Tiefsee, gilt mit 400 Jahren als ein sehr langlebiges Tier und gehört mit einer Länge von bis zu sieben Metern zu den größten lebenden Haiarten der Welt.

Jedoch gibt es auch widersprüchliche Beispiele, unter anderem den Tiefsee-Röhrenwurm. Dieser lebt an hydrothermalen Schloten in der Tiefsee, in deren Nähe die Wassertemperatur um einiges höher ist.

Fazit zu Tiefseegigantismus

Schlussendlich kann man nicht bestätigen, dass die Hypothese bezüglich Tiefseegigantismus wirklich wahr ist. Man kann sie aber auch nicht widerlegen. Es gibt aber widersprüchliche Beobachtungen. Die größten Planktonfresser befinden sich in der Nähe der Wasseroberfläche. Dazu gehören beispielsweise Bartenwale oder der Walhai. Solch große Planktonfresser gibt es laut heutigem Forschungsstand nicht in der Tiefsee.

Von daher bleibt Tiefseegigantismus immer noch eine reine Spekulation. Nichtsdestotrotz ist es eine sehr interessante Thematik.

In diesem Video wird der Beitrag als Dokumentation präsentiert!

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